Facharzt für Humangenetik
Die Humangenetik ist ein medizinisch-wissenschaftliches Teilgebiet, das Inhalte der Molekularbiologie, Pathologie und Genetik vereint, um das menschliche Erbguts und seine Variationen zu erforschen. Im Folgenden sind die wichtigsten Informationen zur Ausbildung, zur täglichen Arbeit und zu Verdienstmöglichkeiten zusammengefasst.
Facharzt für Humangenetik: allgemeine Informationen
Eine Fachärztin oder ein Facharzt für Humangenetik ist auf das Erkennen genetisch bedingter Krankheiten und der Veränderungen im menschlichen Erbgut, die diese auslösen, spezialisiert. Das Fach hat in seiner Geschichte einige Veränderungen erfahren: Mit der verstärkten Spezialisierung anderer medizinischer Fachrichtungen auf genetische Diagnostik und gentherapeutische Behandlungsverfahren hat sich der Schwerpunkt von der Arbeit im Labor hin zur Beratungstätigkeit für KollegInnen und PatientInnen verlagert.
Nach wie vor jedoch gehen Fachärztinnen und Fachärzte für Humandiagnostik ihrer Forschungstätigkeit im Labor nach, vor allem, um den Mechanismen seltener erblicher Erkrankungen auf die Spur zu kommen und entsprechende Therapien zu entwickeln.
Krankheitsbilder, mit denen Humangenetiker in ihrem Berufsalltag häufig konfrontiert sind, sind zum Beispiel:
- Trisomie 21 (Down-Syndrom)
- Trisomie 18 (Edwards-Syndrom)
- Turner-Syndrom
- Mukoviszidose
- Zystische Fibrose
- Hämophilie (Bluterkrankheit)
- Prothrombin-Mutation (Faktor-II-Mutation)
- Muskeldystrophie
- Fragile-X-Syndrom (Martin-Bell-Syndrom)
- Trisomie 13 (Pätau-Syndrom)
Nicht alle dieser Krankheiten führen zu schweren Beeinträchtigungen und/oder Einschränkungen der Lebensqualität der Betroffenen. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie ist aber meist wichtig, um Entwicklungsverzögerungen vorzubeugen und eine optimale weiterführende Beratung und Betreuung der betroffenen PatientInnen zu gewährleisten. Dabei kommt den Humangenetikerinnen und Humangenetikern eine wichtige interdisziplinäre Koordinierungs- und Vernetzungsfunktion zu.
Facharzt für Humangenetik: Aufgaben und Arbeitsgebiete
Humangenetikerinnen und Humangenetiker beschäftigen sich mit den Mechanismen und Erscheinungsbildern genetisch bedingter Variationen und Krankheiten des Menschen. Sie stellen gemeinsam mit ihren Kollegen Verdachtsdiagnosen anhand des klinischen Erscheinungsbildes. Mittels molekularbiologischer und zytodiagnostischer Methoden sichern sie Diagnosen ab oder widerlegen sie.
Ihre Arbeit hilft auch dabei, bisher nicht bekannte oder sehr seltene Erkrankungen, die auf Veränderungen im menschlichen Erbgut beruhen, zu erkennen. Für diese sogenannten „Orphan Diseases” stehen oft nur wenige ExpertInnen weltweit zur Verfügung. Humangenetiker nehmen daher eine wichtige Rolle bei der Vernetzung von SpezialistInnen ein, die Erfahrung mit solchen seltenen Erkrankungen oder mit ähnlichen Erscheinungsformen haben.
Häufig sind Fachärzte für Humangenetik in der Forschung tätig: Ihre Analysen tragen unter anderem zur Entwicklung von Medikamenten bei, die schon in einem sehr frühen Stadium eingesetzt werden, um etwa die Folgen chromosomaler Abweichungen zu mildern und Betroffenen zu einer bestmöglichen Lebensqualität zu verhelfen. Besondere Bedeutung kommt dabei der Beratung zu: Zum Aufgabengebiet der Humangenetiker zählt die nicht-direktive, neutrale und wertschätzende Aufklärung von PatientInnen, die Prädispositionen für vererbbare Krankheiten aufweisen, selbst betroffen sind oder einen Kinderwunsch haben.
Schlussendlich ist auch die Lehre Aufgabe von Humangenetikern, die an Universitätskliniken oder Lehrkrankenhäusern tätig sind. Sie vermitteln Studierenden und ÄrztInnen in Weiterbildungen die Grundlagen des Fachs, den aktuellen Forschungsstand und diagnostische Methoden, mit denen die zukünftigen FachärztInnen im Berufsalltag konfrontiert sein werden.
Wo arbeiten Fachärztinnen und Fachärzte für Humangenetik?
Fachärzte für Humangenetik arbeiten in öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen, in genetischen Beratungseinrichtungen von Krankenhäusern und Universitätskliniken, im Labor und vor allem im großstädtischen Bereich oft auch in eigener Praxis.
Arbeitsort Universitätsklinik/Krankenhaus
Krankenhäuser und besonders Universitätskliniken bieten für die Humangenetikerin oder den Humangenetiker ein vielfältiges Betätigungsfeld. In so gut wie allen Teildisziplinen der Medizin finden sich Krankheitsbilder, bei denen genetische Faktoren eine Rolle spielen. Fachärzte für Humanmedizin unterstützen ihre klinisch tätigen KollegInnen bei der Diagnostik solcher Krankheiten und beraten sie hinsichtlich Präventionsmöglichkeiten und der Bewertung individueller Risiken. An klinischen Fachabteilungen und in spezialisierten Ambulanzen stehen sie für die Beratung von PatientInnen zur Verfügung. Ein weiterer wichtiger Einsatzort sind Forschungslabore universitärer Institute: Dort arbeiten Humangenetiker mit KollegIen anderer medizinischer Fachbereiche zusammen und erforschen Ursachen und mögliche Therapien genetisch bedingter Erkrankungen.
Tätigkeit in einer Praxis für Humangenetik
Auch im niedergelassenen Bereich kommt der humangenetischen Beratung immer größerer Stellenwert zu. FachärztInnen sind daher in Ballungszentren oft in eigener Praxis tätig, wohin PatientInnen aus Kliniken oder von anderen FachärztInnen überwiesen werden. Die Tätigkeit in einer Praxisgemeinschaft ist ebenfalls möglich. Sie bietet sich vor allem in Kombination mit FachärztInnen für Gynäkologie und Geburtshilfe an, die selbst keine entsprechende Zusatzausbildung haben.
Facharzt für Humangenetik: Die Weiterbildung
Voraussetzung für die Weiterbildung zum Facharzt für Humangenetik ist ein abgeschlossenes Medizinstudium. Die gesamte Weiterbildungsdauer beträgt 60 Monate. Davon müssen
- 30 Monate in der humangenetischen Patientenversorgung,
- 12 Monate in frei wählbaren Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung,
- 12 Monate in einem molekulargenetischen Labor und
- 12 Monate in einem zytogenetischen Labor abgeleistet werden.
Während der Weiterbildungszeit erwerben zukünftige Humangenetiker Kenntnisse und Erfahrungen in folgenden Teilbereichen des Fachs:
- Humangenetische Beratung
- Beratung bei pränataler Diagnostik und Präimplantationsdiagnostik
- Syndromologie: Phänotypanalyse, Syndrom-Datenbanken, klinisch-genetische Abklärung bei unklaren Syndromen
- Stoffwechselkrankheiten und endokrine Störungen
- Erkrankungen von Haut, Haaren, Zähnen und Bindegewebe
- Neurologische und neuromuskuläre Erkrankungen, Muskelerkrankungen
- Krankheiten der Niere und der ableitenden Harnwege
- Krankheiten von Auge und Ohr
- Herz- und Gefäßerkrankungen
- Erkrankungen des Blutes
- Tumorerkrankungen
- Infertilität und Aborte
- Pharmakogenomik
- Diagnostische zytogenetische Verfahren
- Diagnostische molekulargenetische Verfahren
- Klinische Genomanalytik
Für Humangenetiker bestehen zahlreiche Fortbildungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten: Zu den häufig gewählten Spezialisierungen zählen etwa die Infertilitätsberatung, die Pränatal- und Implantationsdiagnostik oder die tumorgenetische Beratung und Risikoanalyse. Fachspezifische Weiterbildungsangebote sind über Berufsverbände und Fachgesellschaften abrufbar, zum Beispiel auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik e. V.
Verdienstmöglichkeiten für Fachärztinnen und Fachärzte für Humangenetik
Am Beginn ihrer Weiterbildungszeit beträgt das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt für Humangenetiker an Kliniken in der Regel zwischen 4.600 und 5.000 Euro. Grundlage der Entlohnung ist der jeweils geltende Tarifvertrag oder Hausvertrag, der üblicherweise alle Ärzte in Weiterbildung gleich behandelt. Durch das Ableisten von Schicht- und Wechseldiensten lässt sich das Einkommen entsprechend erhöhen. Im Fach Humangenetik sind solche Dienste jedoch eher die Ausnahme.
Wer im klinischen Bereich tätig bleibt, erhält in der Regel tariflich festgelegte jährliche Gehaltssteigerungen: Nach fünf Jahren lann der Durchschnittsverdienst von Fachärztinnen und Fachärzten bereits bei etwa 7.000 Euro brutto monatlich liegen. In leitender Tätigkeit entfällt möglicherweise die Bindung an den Tarifvertrag. Das Gehalt kann dann frei vereinbart werden. Bruttogehälter können dann bis zu 100.000 Euro jährlich betragen.
In eigener Praxis oder bei Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft lassen sich als Humangenetiker üblicherweise ebenfalls gute Jahreseinkommen erzielen. Die tatsächlichen Einkünfte sind von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig, etwa dem Bundesland, in dem man tätig ist, den Kosten der Praxis und der eigenen Spezialisierung. Detaillierte Daten zum Einkommen von Fachärzten in Deutschland finden sich online.
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Stand: August 2020